Der Bus brachte Dorf und Welt vor die Haustüre

Klaus Wahl hat den Wechsel von der Regionalbahn zum Regionalbus als Schulkind erlebt. Prägende Erinnerungen des pensionierten Stäfner Lehrers sind die Anbindung seines Quartiers an den öffentlichen Verkehr und ein berühmter Kühlergrill.

Als Klaus Wahl in Stäfa zur Primarschule ging, war Mobilität für die meisten Menschen ein Luxus. «Es gab kaum Privatautos, wenn man das Dorf verlassen musste, ging das nur per Bahn oder Schiff.» Der pensionierte Lehrer sagt «musste», nicht «wollte».

Das Leben spielte sich in den Vierzigerjahren vor allem im Dorf ab. Hier ging man zu Fuss einkaufen, zur Schule und Arbeit. Immerhin hatte sein Vater ein Velo, mit dem der Schriftsetzer zur «Buechdrucki» fuhr, blickt Wahl auf eine Kindheit und Jugend in Stäfa zurück.

Schulreise mit zwei Bahnen

Stand einmal ein Ausflug ins Hinterland des Zürichsees an, wurden die Uerikon-Bauma-Bahn oder die Wetzikon-Meilen-Bahn bestiegen. «In der UeBB bekam man einen russigen Kopf, wenn man zum Fenster rausschaute», erinnert sich Wahl. «Die Fahrt war aber immer sehr schön, vor allem von Ürikon hinauf durchs Chatzentobel.» Bei der WMB habe er eher das Gefühl gehabt, in einem Tram zu sitzen. Es fuhr ganz gemächlich dahin. Bei jeder Strassenkreuzung gab der Tramführer ein Warnsignal ab.

Wie dominant die beiden Regionalbahnen waren, beweist eine Schulreise, die er 1946 als Zweitklässler erlebte. Zuerst ging es zu Fuss auf die Stäfner Höhe «Mühlehölzli», dann mit der WMB nach Wetzikon. Von dort marschierten die Kinder, begleitet von vielen Müttern, wie das damals üblich war, durchs Kemptner Tobel und über Adetswil aufs Rosinli. Zurück führte der Ausflug nach Bäretswil, von wo die UeBB die Schar heim nach Ürikon brachte. Die Postkarte, die er von diesem Ausflug an den Vater schrieb, besitzt der 85-Jährige heute noch.

Ein Hauch von Grand Prix

Doch plötzlich waren die Regionalbahnen Geschichte. Ab 1948 übernahmen Busse der neu gegründeten Verkehrsbetriebe Zürichsee und Oberland (VZO) den öffentlichen Verkehr, während die verwaisten Gleise der UeBB zu Spielplätzen für die Kinder wurden. Nur ein Triebwagen der WMB erinnerte einige Jahre noch an die alten Zeiten. «Herr Beetz vom Schützenhaus nutzte ihn am Bahnhof Stäfa als Lager», erzählt Wahl.

Der Wechsel kam für ihn ohne Wehmut. «Es war halt der Lauf der Zeit, so habe ich das damals verstanden.» Was ihm gefiel, waren die neuen Busse von Alfa Romeo. «Ich sehe sie noch heute vor mir im strahlenden Blau mit dem unverkennbaren Kühlergrill.» Das zählte bei den Buben, denn Alfa Romeo war damals die wohl sportlichste Marke auf den Strassen der Welt und dominierte die Grand Prix-Rennen.

Mobilität für alle im Dorf

Wichtiger war aber der Fortschritt vor der Haustüre. «Mit dem Bus Stäfa Bahnhof – Hombrechtikon hatten wir plötzlich ein Verkehrsmittel nahe bei uns zuhause im Kehlhof. Für uns war das wunderbar», erzählt er. Wahls Mutter konnte nun leichter einkaufen, auf die Post gehen und Anderes im Dorf erledigen. Vor allem die älteren Menschen seien glücklich über das moderne Verkehrsmittel gewesen, ihnen erschlossen sich neue Verbindungen. «Sie wurden wieder mobiler», bringt es Wahl auf den Punkt.

Obschon seine Familie später nach Zürich übersiedelte und er dort auch seine Ausbildung zum Lehrer absolvierte, sollte es kein Abschied für immer von Stäfa sein. Dies, obwohl Wahl seine ersten Berufsjahre in anderen Zürcher Gemeinden verbrachte und er ein Auslandsjahr in Skandinavien sowie in den USA einlegte. Der Zufall führte ihn 1965 wieder hierher zurück. Der damalige Schulpräsident von Stäfa, Dr. Schulthess, suchte dringend einen Lehrer für die 6. Klasse. Wahl konnte nicht ablehnen, war der Schulpräsident doch der Arzt, der bei seiner Geburt dabei war.

Der VZO-Kreis schliesst sich

Bis zur Pensionierung sollte er in Stäfa in mehreren Schulhäusern lehren, auch im Kirchbühl Nord, in dem er einst selbst die Schulbank drückte. Dass er beim ersten Lehrerkonvent seine Frau Lilly kennenlernte, mit der er seit 56 Jahren verheiratet ist und eine fünfköpfige Familie gründete, rundet seine Verbundenheit zu Stäfa perfekt ab.

Der Kreis schliesst sich auch beim VZO-Bus. Ganz in der Nähe der Wohnung im Dorfteil «Mies», wohin die Familie schon in den Siebzigerjahren übersiedelte, befindet sich eine Bushaltestelle. Das macht sich speziell im gesetzten Alter von Klaus Wahl bezahlt. Vor drei Jahren gab er seinen Fahrausweis ab und vertraut seither gänzlich dem öffentlichen Verkehr: «Ich benutze heute den Bus fast täglich. Wenn ich Münzen im Sack habe, kaufe ich mir am Bahnhof gleich wieder eine Kurzstreckenkarte.»